Klassenfahrten
Berichte über Arbeitseinsätze und Klasssenfahrten in/nach

Quedlingburg, Polen, Scharmützelsee, Rackwitz, Osterteiche,
Halberstadt, Schwebebahn Thale, Hüttenmuseum Thale

Arbeitseinsatz bei der Deutschen Reichbahn

Der erste Winter in Thale war hart. Die Gleise frohren ein, die Kohle vereiste an den Güterwagen, Heizungsrohre platzten, Eisblumen waren an den Toilettenfenstern. Es war das Stalingrad 1985. Man musste neben dem Klassenfeind auch noch gegen das Wetter kämpfen, den Plan halten und zu allem Überfluß noch Übererfüllungen von midestens 104 % bringen.
So wurde unsere Klasse zum Schwersteinsatz in den Güterbahnhof von Quedlinburg einberufen. Wir kämpften dort mit Spitzhacke und Schaufel für den Sieg des Sozialismus. Danach hagelte es Blech, Papier und Freundschaftsfahrten. Es kamen Orden, Urkunden und eine Auszeichnungsreise in die Volksrepublik Polen. Wir legten sogar Blumen für die Opfer des Faschismus nieder und hatten eine stolze Brust.

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Auszeichnungsreisein dieVolksrepublik Polen

Im Sommer 1986 ging es für 14 Tage zur Auszeichnung im Austausch mit einem polnischen Freundschaftsbetrieb nach Tychy bei Kattowitz. Das Programm war eng gesteckt und voll mit Besuchen dortiger Sehenswürdigkeiten. Wir waren in einem polnischen Lehrlingswohnheim untergebracht und hatten viel Spaß.
Neben dem offiziellen Programm gingen wir in das dortige Freibad, sprangen vom 10-Meter-Turm und sahen die Originalfassung von „Alien I“ im Kino mit polnischen Untertiteln. Polen war damals bereits offener als die DDR. Die Umgangssprache war Englisch, aber das spielte bei den Discos im Heim dort keine Rolle. Man verstand sich durch Modern Talking auch so.
Wir besuchten:
das Konzentrationslager Auschwitz, ein Salzbergwerk, einen Dampfturbinenhersteller, die Uni von Kattowitz, mehrere Museen und machten Einkaufsbummel auch auf dem Schwarzmarkt (Kassetten aus dem Westen von Bronsky Beat und CC-Catch waren begehrt).

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Scharmützelsee

Dieser Ausflug ist den meisten von uns in Erinnerung. Der Scharmützelsee liegt östlich von Königswusterhausen bei Berlin. Das dortige Jugenttourist-Hotel bot alles, was die DDR zu bieten hatte. Die große Anlage war Vorzeigeobjekt. Obwohl wir im Dezember diese eigentlich nur im Sommer reizvolle Gegend besuchten, waren diese Tage unvergesslich. Wir erlebten die Gruppe Gypsy und erholten unsere säuregeprüften Lungen in der Kiefernwäldern Brandenburgs auf Fahrrädern.
Die in den Bettkästen von Ingo und Jens versteckten Mädels einer anderen Reisegruppe konnten von Klaus Okeson am späten Abend doch noch aufgespürt werden. Schade. Thomas Bundfuß mußte wegen „Sauf for Sex“ mit Annett Kirchberg frühzeitiger nach Hause fahren. Da hatte er mehr Zeit für diese Flamme.



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Rackwitz

Wir hatten bereits gedacht, dass Thale das Ende der Welt und der Inbegriff von Luftverschmutzung ist. Aber Rackwitz überbot alles. Untergebracht in einem Lehrlingswohnheim der dortigen Aluminiumhütte, erlebten wir die Dreharbeiten zu dem Film „The Fog – Nebel des Grauens“. Wir blieben ein Wochenende. Nachdem der Betrieb am Freitag in der Nachtschicht zum Stillstand kam, lichtete sich erst am Sonntag die Umgebung aus den Schwaden. Ein einziger Vogel zwischerte heiser zwischen den Ruinen der naheliegenden Weiden.

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Osterteich bei Gernrode

Ein Klassenausflug mit den Mopeds und Motorrädern ist so ziemlich das Limit, was ein Klassenlehrer auf seine Kappe nehmen kann. Während alle mit ihren aufgechromten Simsons und MZ´s aufwarteten, kam Klaus Okeson mit gelber Schwalbe.
Der Treck war lang und wühlte sich stolz durch 2 Nachbardörfer von Thale bis Gernrode. Keine rote Ampel konnte uns und unsere Entschlossenheit stoppen. Die Reise war 9 km lang und dauerte eine halbe Stunde. Am Ziel, den idyllisch gelegenen Osterteichen, verteilten wir uns in sengender Hitze auf dem Strand und überließen uns der freien Zeit. Es pfiff die Selketalbahn vorbei und Thomas ging wieder auf Brautschau. Andere badeten und aßen Bockwurst mit Senf.

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Betriebsbesichtigung im Schiffsmotorenwerk Halberstadt

Harald Pomerenke war der Gott aller technischen Bauteile. Das wußte er und wollte uns große Motoren und das Pleul zeigen. Also machten wir eine Betriebsbesichtigung und sahen Schiffsdiesel. Der Betrieb war gepflegt und hatte Grünanlangen (im EHW undenkbar).
Die Motoren waren so groß wie Häuser, die Kolben so groß wie Ölfässer. Wir stiegen durch ein Kurbelgehäuse und setzten auf das Pleul. Wir waren wieder auf Gullivers Reisen und Pomerenke in seiner Welt.

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Betriebsbesichtigung der Schwebebahn Thale

Der Frage des Urfaust „Was ist es, was die Welt im Innersten zusammenhält“, gingen wir am Beispiel der Schwebebahn nach. Wir schauten hinter die Kulissen des einzigen Betriebes des Ballenstädter Kraftverkehres, welcher Gewinne abwarf. Das Geheimnis war dann aber doch denkbar einfach: 2 Betongewichte von 24 Tonnen strafften das Tragseil, welches in je einer jährlichen Revision auswechselt wurde. Die Drahtseile wurden gespleißt und auf der Bergstation sorgte ein Hilfsmotor von „Tatra“ für Notstrom im Havariefall.
Der Tag war interessant und informativ. Gratis gab es eine Fahrt mit der Schwebebahn und schulfrei.

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Webseite der Schwebebahn Thale

Besichtigung des Hüttenmuseums

Hr. Pomerenke lud zum Sehen des Hüttenmuseums ein. Was wir im Museum sahen, erlebten wir in der Lehrwerkstatt und im Betrieb. Wir waren uns nach dem Besuch sehr unsicher über die Zukunft des Werkes als „Sozialistischer Auszeichnungsbetrieb“. Ob Herr Pomerenke dies auch so sah? Wir stellten ihm diese Frage bis zum Ende der Lehrzeit nicht.
Uns ist unklar gewesen, wie ein laufender Betrieb ein Museum einrichten konnte, dessen Inneneinrichtung sich mit den im Werk produzierenden Maschinen nicht unterschied. Entweder war die Idee des Museums die genialste Maketingidee und man wollte den gesamten Betrieb als produzierendes Museum und gläserne Manufaktur ungestalten – oder die Direktion spielte in der Nähe des Harzer Bergtheaters ein gigantisches Kabarett mit 7000 in Schichten arbeitenden Statisten. So wurde jeder Besuch des Hüttenmuseums nicht nur zu Lehrstunden im regulären Unterricht benutzt, sondern auch zur heiteren Selbsterkenntnis über den Fortschritt, dem wir nach 300 Jahren Hütte erlegen waren… Pardon: „…zur heiteren Selbsterkenntnis über den Fortschritt, der vor 300 Jahren erlegt wurde.

Webseite des Hüttenmuseum Thale
So gesehen war das Hüttenmuseum mit seiner Eröffnung 1987 ein Perspektivum. Man sah mit dem Museum in die Zukunft. Die ausgestellten Modelle der Produktionsanlagen wie Blockwalzstraße, Danpfmaschine, Bessemer-Birne mit Herstellerdaten vom vorigen Jahrhundert waren Funktionmodelle. Es fehlten nur die keinen Arbeiter an diesen Maschinen, die wenige hundert Meter weiter an denselben Maschinen funktional ihre Arbeit verrichteten. Das Museum war damit vielleicht eine tatsächliche Innovation, es ist 15 Jahre später das Einzige, was vom EHW übrig blieb. Es gab auch schon Stimmen, die das Hüttenmuseum verflucht haben: „Es habe den Prozess der Erkenntnis des EHW als technisches Museum beschleuningt und ist damit zum Fluch des Werkes geworden.“ Warum hat man das EHW nicht seiner eigentlichen Aufgabe als „Eisen & Adventure-Erlebnis-Park“ umgenutzt?

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DDR Web Ring
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